Das Auseinandertreten der Familie: Halte im Guten zusammen oder lasse im Guten gehen!
Manchmal kann es sein, dass das Familienheim, das mit großen Hoffnungen gegründet wurde, nicht fortgeführt werden kann und auseinanderfällt. Die Scheidung, welche den Zusammenbruch der Familie darstellt, beeinflusst sowohl das Individuum als auch die Gesellschaft. Trotz all der Nachteile muss auch dieser Prozess richtig gehandhabt werden. Dementsprechend gibt es im Islam nicht nur bezüglich der Gründung, sondern auch bezüglich der Beendung einer Familie Gebote und Verbote, die zu beachten sind.
Wie bei allen Geboten und Verboten des Islams, wurde die menschliche Beschaffenheit auch bezüglich des Familienrechts berücksichtigt. Aus diesem Grund erlaubt der Islam die Beendigung der Ehe. Die christlich-katholische Kirche hingegen verbot die Scheidung, was der Fitrah1 des Menschen widerspricht. Der diesbezügliche Ansatz des Islams ist mit der Natur des Menschen und dem Gesellschaftsleben konform. Während die grundlose Scheidung im Islam missbilligt wird, wird die Scheidung aufgrund von gerechtfertigten, begründeten Faktoren erlaubt. Die Aussage des Propheten „Die unbeliebteste der erlaubten (halal) Handlungen bei Allah ist die Scheidung.“ (Abu Dawud, Talaq, 3; Ibn Madscha, Talaq, 1) weist auf die Wichtigkeit der Fortführung der Ehe und dem Schutz der Familie hin. Der heilige Koran erteilte sowohl Mann und Frau als auch beiden zusammen Ratschläge, um die Fortdauer des Ehe- und Familienbunds zu gewährleisten und um Unruhen und Streitigkeiten zu bewältigen: „Oh die ihr glaubt! Es ist euch nicht erlaubt, Frauen wider (ihren) Willen zu erben. Und drangsaliert sie nicht, um (ihnen) einen Teil von dem, was ihr ihnen gegeben habt, zu nehmen, außer sie begehen etwas klar Abscheuliches. Und geht in rechtlicher Weise mit ihnen um. Wenn sie euch zuwider sind, so ist euch vielleicht etwas zuwider, während Allah viel Gutes in es hineinlegt.“ (an-Nisa, 4/19), „Und wenn eine Frau von ihrem Ehemann Widersetzlichkeit oder Meidung befürchtet, so ist es keine Sünde für sie (beide), sich in Frieden zu einigen; denn friedliche Einigung ist besser. Und die Triebseelen sind der Habsucht zugänglich. Doch wenn ihr wohltätig seid und gottesfürchtig, so ist Allah dessen, was ihr tut, gewiss Kundig.“ (an-Nisa, 4/128)
Der heilige Koran, der dem Mann und der Frau das gute Auskommen anrät, erwartet bei Problemen, die die Eheleute nicht selbst überwältigen können, dass sie nicht gleich die Scheidung als eine Lösung betrachten, sondern sich um eine Einigung bemühen. Im heiligen Koran wird verkündet: „Und wenn ihr Widerstreit zwischen den beiden (Eheleuten) befürchtet, dann setzt einen Schiedsrichter (Schlichter) aus seiner Familie und einen Schiedsrichter (Schlichter) aus ihrer Familie ein. Wenn sie (beide) eine Aussöhnung wollen, wird Allah sie (beide) in Einklang bringen. Gewiss, Allah ist Allwissend und Allkundig.“ (an-Nisa, 4/35) Die Person, die als Schlichter die Aussöhnung des Ehepaares bewerkstelligen soll, muss jemand sein, den beide Seiten akzeptieren. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass die Person, die die Aufgabe der Schlichtung übernehmen wird, ausreichendes Wissen besitzt und hinsichtlich des Glaubens mit dem Paar ebenmäßig ist.
Ist die Fortführung der Ehe trotz aller Mühen um eine Einigung nicht möglich, so erlaubt der Islam die Scheidung. Zudem legt er Bestimmungen bezüglich der Anstandsregeln bei der Scheidung und der Verhaltensregeln nach der Scheidung fest.
Selbst wenn beide Ehepartner der Scheidung einwilligen, kann es während der Scheidungsphase oder danach zu Konflikten kommen. Der Ehepartner sollte bei der Scheidung im Guten losgelassen werden, seine/ihre Rechte und Ansprüche sollten beachtet werden und die Blutsverwandtschaft (Nasab) sollte beschützt werden. Das Berücksichtigen der Schwangerschaft und das Abwarten der ʿIddah2 sind Angelegenheiten, die die Frau nach der Scheidung zu beachten hat. Männer werden hingegen wie folgt bezüglich der Rechte der Frauen nach der Scheidung ermahnt: „Und wenn ihr euch von Frauen scheidet und sie dann ihre festgesetzte (Warte-)Zeit erreichen, so behaltet sie in rechtlicher Weise oder gebt sie in rechtlicher Weise frei. Doch behaltet sie nicht mit der Absicht der Schädigung, so dass ihr übertretet. Wer dies tut, der fügt sich ja selbst Unrecht zu. Und macht euch nicht über Allahs Zeichen lustig. Und gedenkt Allahs Gunst an euch und dessen, was Er von dem Buch und an Weisheit auf euch herabgesandt hat, um euch damit zu ermahnen. Und fürchtet Allah und wisst, dass Allah über alles Bescheid weiß.“ (al-Baqara, 2/231)
Bei der Beendigung des Ehelebens, in dem die Rechte des Einzelnen (Huquq al-ʿIbad) äußerst präsent sind, sollte die Berücksichtigung der Rechte nicht zu Schaden kommen. Nach der Scheidung ist es wichtig, dass die Ehepartner sich gegenseitig weder in finanzieller noch in seelischer Hinsicht schaden und – falls ein Kind vorhanden ist – ihre elterlichen Pflichten weiterhin erfüllen, damit die Erziehung und Gesundheit des Kindes nicht beeinträchtigt wird.
Der Islam stellt ab der Gründung der Familie Bestimmungen bezüglich jeder ihrer Dimensionen auf. Die Familie beschreibt die Zusammenkunft von Mann und Frau mit der Absicht, zusammen Friede zu finden, sich gegenseitig zu vervollkommnen und ihrer Pflicht, die Welt zu gestalten, nachzukommen. Der Mann und die Frau, die mit einem sicheren Abkommen, das Ehe (Nikah) genannt wird, ein Heim gründen, erziehen und umsorgen ihr Kind, das sie gemeinsam auf die Welt setzten. Während die Eheschließung der Person manche rechtlichen Verantwortungen auferlegt, nimmt die Person, die eine Familie gründet, auch manche physischen und psychischen Verantwortungen auf sich. Zu diesen Verantwortungen gehört ein guter Ehepartner zu sein, mit dem Ehepartner und der neuen Verwandtschaft gut auszukommen und das Kind in einem Familienheim großzuziehen, das von Barmherzigkeit und Liebe umhüllt ist. Der Islam regelt all diese Verantwortungen und erzielt, die Familie zu einem Zufluchtsort sowie den Ehepartner zur Quelle des Friedens und der Ruhe in diesem weltlichen Leben zu machen. Die Familie, die die Grundlage des individuellen und gesellschaftlichen Friedens ist, ist eine verletzliche Institution, die mit den Kindern, die sie erzieht, die Gesellschaft formt, mit den Werten, die sie verinnerlicht und beschützt, die Gesellschaft zusammenhält und eine Zivilisation erbaut. Aus diesem Grund bewerkstelligt der Islam selbst mit den Bestimmungen, die bezüglich der Scheidung und dem Auseinandertreten der Familie festgelegt wurden, den Schutz der individuellen Rechte sowie den Fortlauf der Blutsverwandtschaft und die rechte Fortführung der Generationen.
1 Der Begriff Fitrah beschreibt alle Eigenschaften, die der Mensch in seiner Schöpfung und ab seiner Geburt besitzt.
2 Die ʿIddah ist die Eheauflösungsfrist/Wartezeit einer geschiedenen oder verwitweten Frau, um erneut heiraten zu können
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