Die Propheten sind sowohl die Diener als auch die Gesandten Allahs
Die Aufgabe des Prophetentums entmenschlicht die Propheten nicht. Dass sie Wunder aufzeigen, Offenbarungen von Allah empfangen und Wissen über das Ghayb mitteilen, bedeutet nicht, dass sie alles wissen oder die Eigenschaft der Göttlichkeit (Uluhiyyah) besitzen. So wie alle anderen Menschen hatten auch die Propheten das Bedürfnis zu essen, zu trinken, sich zu kleiden und einen Unterkunftsort zu finden, und so wie alle arbeiteten auch sie, um diese Bedürfnisse zu decken und gingen von dieser Welt, als ihre Zeit kam. Auf diese Tatsache wird im heiligen Koran hingewiesen: „Wir machten sie nicht zu Körpern, die keine Speise essen, und sie waren nicht unsterblich.“ (al-Anbiya, 21/8) Dass die Propheten Menschen waren, war nicht etwa ein Mangel für sie - im Gegenteil ist dies angemessener, damit sie Beziehungen zu den Menschen aufbauen, folglich diesen die Gebote Allahs verkünden und als Wegweiser von ihnen anerkannt werden können.
Im Laufe der Geschichte entstanden falsche Vorstellungen und Überzeugungen bezüglich der Propheten, sobald die menschliche Beschaffenheit der Propheten außer Acht gelassen wurde. Infolgedessen, dass der Zusammenhang zwischen dem Wunder und dem, dem das Wunder gegeben wurde, und zwischen der Offenbarung und dem, der die Offenbarung empfing, nicht auf die richtige Weise verstanden und nachvollzogen wurde, wurde den Propheten Göttlichkeit (Uluhiyyah) oder ein Anteil an der Gottheit zugeschrieben.
Im Gegensatz zu den anderen Menschen sind Propheten Menschen, die mittels der Offenbarung Wissen über das Ghayb erfahren. Aus dem heiligen Koran ist zu entnehmen, dass die Propheten Ghayb-Wissen über die Zukunft kundgeben. Beispielsweise verkündete der Prophet Jesus, dass nach ihm ein Prophet kommen werde und nannte gar seinen Namen. (as-Saff, 61/6) Dass die Propheten von Allah Wissen über das Ghayb empfangen, bedeutet nicht, dass sie aus eigener Kraft das Verborgene wissen. Das Wissen, das die Propheten über das Ghayb verkünden, erlangen diese lediglich durch die Offenbarung von Allah. Wissen über das Ghayb zu besitzen ist keine Eigenschaft und Besonderheit der Propheten.
Um bei den Muslimen ein solides Verständnis hinsichtlich der Propheten festzusetzen, musste Muhammed (saw.), der letzte Prophet, die Gläubigen von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass er ein Mensch war. Als eines Tages ein Mann ihn mit Äußerungen voller übertriebenem Respekt ansprach, sagte der Gesandte Allahs (saw.): „…Ich bin Muhammed, der Sohn Abdullahs. Ich bin Allahs Diener und Gesandter. Bei Allah ich möchte nicht, dass ihr mich über die Position erhebt, die mir Allah, der Erhabene, gab!“ (Ibn Hanbal, III, 154) In einem ähnlichen Hadith mahnt der Prophet Muhammed seine Ummah (Glaubensgemeinschaft), dass sie ihn nicht, wie die Christen es beim Propheten Jesus taten, übertrieben sublimieren beziehungsweise verherrlichen sollen: „Preist mich nicht so, wie die Christen Isa (Jesus), den Sohn Maryams (Marias) auf übertriebene Weise priesen. Ohne Zweifel bin ich lediglich der Diener Allahs. Sagt aus diesem Grund Allahs Diener und Gesandter zu mir!“ (Bukhari, Anbiya, 48) In Folge dieser Mahnung müssen die Gläubigen darauf achten, mäßig zu handeln, wenn sie ihre Liebe und Gebundenheit für den Gesandten Allahs zum Ausdruck bringen.
Aufgrund ihrer menschlichen Beschaffenheit sind auch die Propheten wie alle anderen Menschen sterblich. Im heiligen Koran wird der Tod für den Menschen als ein allgemeines und ausnahmsloses Gesetz genannt: „Jede Seele wird den Tod kosten…“ (al-Anbiya, 21/35), „Alle, die auf ihr sind, werden vergehen; bleiben wird nur das Angesicht deines Herrn, dem Besitzer der Erhabenheit und Ehre.“ (ar-Rahman, 55/26-27) Wie auch in den Koranversen dargelegt wird, gilt Baqa1 lediglich für Allah. Jedes Lebewesen ist sterblich und wird den Tod kosten. Allah gibt wie folgt bekannt, dass auch die Propheten nicht endlos und fortbestehend sind: „Und Muhammed ist doch nur ein Gesandter, vor dem schon Gesandte vorübergegangen sind. Wenn er nun stirbt oder getötet wird, werdet ihr euch (dann) auf den Fersen umkehren? Und wer sich auf den Fersen umkehrt, wird Allah keinerlei Schaden zufügen. Aber Allah wird (es) den Dankbaren vergelten.“ (Al-i Imran, 3/144) Der heilige Koran bestätigt, dass der Prophet versterben wird: „Du wirst gewiss sterben, und auch sie werden sterben. Hierauf werdet ihr am Tag der Auferstehung bei eurem Herrn miteinander streiten (gegeneinander klagen).“ (az-Zumar, 39/30-31); „Und Wir haben für kein menschliches Wesen vor dir ewiges Leben bestimmt. Wenn du nun stirbst, werden sie dann ewig leben?“ (al-Anbiya, 21/34)
Die Prophetengabe kann nicht durch Bemühung, Wille, vielen Glaubenspraxen (Ibadah) oder einer vorzüglichen Moral (Ahlaq) erlangt werden. Allah bestimmte unter Seinen Dienern diejenigen als Propheten, die Er wünschte. Dies ist für sie ein Segen und eine Gabe (Nimah) Allahs. Dementsprechend wird im heiligen Koran verkündet: „Das ist Allahs Huld, die Er gewährt, wem Er will…“ (al-Dschum’a, 62/4); „…Allah erweist die (Propheten-) Gabe, wem von Seinen Dienern Er will…“ (Ibrahim, 14/11)
Dass das Prophetentum von Allah gegeben wird, zeigt auch, dass dies keine Aufgabe ist, die vom Vater an den Sohn übergeben wird. Auch wenn im heiligen Koran die Namen von Vätern und Söhnen erwähnt werden, die Propheten sind, bedeutet dies nicht, dass das Prophetentum als Erbe vom Vater an den Sohn übergeht. Während Ismail (Ischmael) und Ishaq (Isaak), die Söhne des Propheten Ibrahim (Abraham), auch Propheten waren, waren der Sohn des Propheten Nuh (Noah) und der Vater des Propheten Ibrahim Leugner. (Hud, 11/42-46; at-Tawbah, 9/114)
1 Der Begriff Baqa beschreibt die endlose Existenz Allahs.
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