Miqat und Ihram
Miqat bedeutet „Verabredungszeit, Zeit und Ort des Treffens“ und bezeichnet den Ort, an dem die Hadsch-Ibadah angefangen wird. Die Miqat-Grenzen wurden vom Propheten Muhammed (saw.) bestimmt. (Bukhari, Hadsch, 7) Während Menschen, die in Mekka wohnen, ihre Absicht an dem Ort bekunden, an dem sie sich befinden und in den Ihram (Weihezustand) eintreten, bekunden Muslime, die aus verschiedenen Orten der Welt für die Pilgerfahrt anreisen, ihre Absicht an den für sie bestimmten Miqat-Orten (diese sind Dhu’l-Hulayfah, Dschuhfah, Qarn, Yalamlam und Dhat ʿIrq), treten somit in den Ihram ein und beginnen ihre Pilgerfahrt.
Die Pilgerfahrt kann auf drei unterschiedliche Arten vollzogen werden. Während der Pilgersaison kann die Umrah (Umrah: Ohne an eine bestimmte Zeit gebunden zu sein in den Ihram (Weihezustand) einzutreten, die Kaaba zu umrunden (Tawaf), zwischen Safa und Marwa Sa’y zu machen und mit der Rasur aus dem Ihram auszutreten) und das Hadsch mit jeweils getrennten Absichtsbekundungen (Niyah) und Weihzuständen (Ihram) verrichtet werden. Dies wird Hadsch at-Tamattu genannt. Wenn für die Umrah und das Hadsch eine beide einschließende Absichtsbekundung gesprochen wird und diese beiden in einem Weihezustand verrichtet werden, so wurde Hadsch al-Qiran verrichtet. Wenn jedoch ohne die Verrichtung einer Umrah lediglich das Hadsch beabsichtigt wird, so wird dies als Hadsch al-Ifrad bezeichnet. Wer Hadsch al-Ifrad verrichten möchte, bekundet die Absicht des Hadsch, wer Hadsch at-Tamattu vollführen möchte, bekundet die Absicht der Umrah und wer Hadsch al-Qiran verrichten möchte, der bekundet die Absicht für des Hadsch und der Umrah.
Ihram (Weihezustand) ist einer der drei Fara’id (Pflichtbedingungen) des Hadsch. Die weiteren zwei sind die Arafat-Waqfa (das Stehen/Verweilen auf dem Berg Arafat) und der Besuchs-Tawaf. Ihram bedeutet im Grunde, dass sich die Person, die das Hadsch oder die Umrah beabsichtigt, für eine bestimmte Zeit manche Aussagen, Tätigkeiten und Verhalten, die ihm sonst erlaubt (mubah1) sind, für verboten (haram) erklärt. Diese Verbote beginnen mit der Absichtsbekundung an den Miqat-Orten und dem Ausruf der Talbiyah und dauern bis zum Austritt aus dem Ihram an. (Die betreffenden Verbote beziehen sich auf die Kleidung, das Auftragen von Parfüm/Düften, das Rasieren und Beseitigen von Haaren/Behaarung, das Schneiden der Nägel, den Geschlechtsverkehr, das Jagen von Landtieren und das Abschneiden von Pflanzen im Harem-Gebiet. Je nach dem Verbot, welches missachtet wurde, wurden gewisse Auflagen wie das Schlachten eines Opfertiers, die Spendenabgabe oder das Fasten bestimmt. Für detaillierte Informationen siehe Kommission, Hac Ilmihali, DIB Yayinlari, Ankara, 2009, S. 162-176). Der Eintritt in den Weihezustand ist für die Gültigkeit der Pilgerfahrt unerlässlich. Durch die Absichtsbekundung und den Ausruf der Talbiyah tritt der Pilger in den Ihram ein. Die Talbiyah wird wie folgt ausgerufen: „Labbaik Allahumma labbaik labbaika la scharika laka labbaik inna’l-hamda wa’n-ni’mata laka wa’l-mulk la scharika lak.“ Die Talbiyah trägt folgende Bedeutung: „Hier bin ich, oh Allah, hier bin ich; hier bin ich, Du hast keinen Teilhaber, hier bin ich. All Lob und jegliche Gaben sind nur Dein und auch die Herrschaft, Du hast keinen Teilhaber.“
Der Muslim, der am Miqat seine Absicht bekundet, verspürt das Versprechen zu seinem Herrn. Fortan wird er sowohl während des Hadsch als auch sein Leben lang versuchen, in der friedvollen Atmosphäre dieses heiligen Treffens zu leben, und darauf achten, seinem Wort treu zu bleiben.
Die Talbiyah, die er während dem Weihezustand des Öfteren wiederholt, ist der Wortlaut der Hingabe und Treue zu Allah. Mit dem Ausruf der Talbiyah verspricht er: „Oh Allah! Ich erhielt Deine Einladung und folgte Deinem Befehl. Ich trete in Deine Gegenwart und wende mich zu Dir. Von jetzt an werde ich gegenüber Deinen Befehlen nicht ungehorsam sein.“ So wie die Talbiyah der gemeinsame Ausruf aller pilgernden Muslime ist, ist sie auch das gemeinsame Dhikr des Universums. Der Prophet, der „Es gibt keinen Muslim, der die Talbiyah ausruft und mit dem die Steine, Bäume und die Erde zu seiner Rechten und seiner Linken nicht zusammen die Talbiyah sprechen. (Mit seiner Hand aufzeigend) dieses Beisammensein dauert bis zu diesem (fernsten) Ort der Erde fort.“ (Tirmidhi, Hadsch, 14) sprach, wies auf diese Tatsache hin.
Die Erinnerung an die Tatsache, dass von Bergen, Steinen, Bäumen bis hin zu Dingen jede Existenz „Labbaik“ spricht, sollte den Menschen dazu verleiten, sich selbst zu hinterfragen. Die Ergebenheit des „Labbaik“, also zu sagen „Ich gehorche deinen Befehlen, oh Allah“, sollte sich in seinem gesamten Leben widerspiegeln und sich in all seinen Handlungen wiederfinden. Der Gläubige, der „Labbaik“ ausruft, sollte seine Zunge vor der Nachrede, der Lüge, der Verleumdung und vor jeglichem üblen Gerede hüten und verletzende, offensive Aussagen meiden. Seine Augen sollte er vor dem Anblick des Verbotenen beschützen und niemandes Fehler oder Missstände erforschen. Er sollte mit seinen Händen keiner Existenz Schaden zufügen und nach nichts greifen, das ihm nicht zusteht. Der Diener Allahs, der „Labbaik“ spricht, sollte schmeichelnd und freundlich sein, im Guten wettstreiten und anderen zu Taqwa verhelfen. Der Muslim, der bei der Pilgerfahrt die Talbiyah aufsagt, bis er die Kaaba erblickt, sollte dann nach der Pilgerfahrt dem Gebot seines Herrn aufrichtig Folge leisten und die Talbiyah mit seinen Taten fortführen.
Männer, die in den Ihram (Weihezustand) eintreten, kleiden sich mit zwei nahtlosen Stoff-/Tuch-Stücken, welche „Izar2“ und „Rida3“ genannt werden, bedecken ihre Köpfe nicht und tragen auch keine Schuhe. Frauen hingegen tragen im Ihram weiterhin normale Kleidungen, die dem Bedeckungsgebot entsprechen. Während sie sich im Weihezustand befinden, müssen sie ihre Gesichter offenhalten.
Der Ihram zeigt auf, dass alle Muslime, egal in welcher sozialen Lage und Position sie sich auch befinden mögen, in der Gegenwart Allahs gleich und Geschwister sind. Der Gläubige legt jegliche weltliche Kleidung und jeglichen Schmuck, die seinen Status, seine Stellung oder sein Vermögen in den Vordergrund rücken, ab und kleidet sich in zwei Stoffstücke, die die Ebenbürtigkeit symbolisieren. Er versucht, sich mit der „Kleidung der Tugendhaftigkeit/Taqwa“ (al-A’raf, 7/26), welche die vorzüglichste aller Kleidungen ist, zu kleiden.
Zweifellos besteht der Ihram nicht nur aus dem Wechsel der Kleidung. Der Weihezustand ist die Veränderung des Menschen. Er ist das Versprechen ein Allah gebührender Diener zu sein, mit dem Gemüt „Oh mein Herr, ich flehe um die Vergebung all meiner Taten und Aussagen, die ich bis zum heutigen Tage gegen Dein Wohlgefallen begangen habe, indem ich meiner Triebseele gehorchte, und um die Vergebung jeglicher Fehler, die ich beging. Ich trete in den Weihezustand, um mich Dir aus ganzem Herzen zuzuwenden.“ So wie der Gläubige seine Kleidung ablegt, sollte er auch alle üblen Gefühle und Gedanken aus seinem Herzen verbannen.
Sich in den Weihezustand zu begeben ist wie, sich für den Dschihad4 gegen die Triebseele und den Teufel zu gürten. Der Hadschi (Pilger), der aus diesem Kampf als Sieger hervorgeht, wird zum Vertreter des Friedens. Er wird zu einem Muslim, von dessen Hand, Zunge und seinen anderen Organen niemand Schaden erleidet und bei dem jeder Geborgenheit findet.
Allah, der Erhabene, verkündet im heiligen Buch „Wer in ihnen die (Durchführung der) Pilgerfahrt beschlossen hat, der darf während der Pilgerfahrt keinen Beischlaf ausüben, keinen Frevel begehen und nicht Streit führen…“ (al-Baqara, 2/197), macht somit auf die Verbote aufmerksam und mahnt davor, anderen zu schaden. Zudem betont Er mit dem Vers „…Und wenn einer die unantastbaren Dinge (Verbote) Allahs hoch ehrt, so ist es besser für ihn bei seinem Herrn…“ (al-Hadsch, 22/30) die Wichtigkeit der Beachtung der Verbote.
Gemäß der Mahnung des Gesandten Allahs „(Mekkas) Gewächs darf nicht gerupft werden, seine Bäume dürfen nicht gefällt werden, sein Jagdwild nicht aufgescheucht und gestört werden, der Fund darf nicht angeeignet werden. Lediglich derjenige, der den Besitzer (des Fundes) auffinden wird, kann ihn (den Fund) aufnehmen und aufbewahren.“ (Bukhari, Dschaza’u as-Sayd, 9; Muslim, Hadsch, 447), umfasst das Ihram-Verbot nicht nur die Unantastbarkeit des Gewächses und der Tiere, sondern auch der Umwelt.
1 Das Wort mubah hat Bedeutungen wie „erklärte“, „aufgeklärte“ „rechtmäßige (halal)“ Sache. Mubah bezeichnet alle Tätigkeiten die von der Religion weder vorgeschrieben noch verboten werden.
2 Der Stoff, den Männer während der Pilgerfahrt benutzen, um ihren Oberkörper zu bedecken, wird „Izar“ genannt.
3 Der Stoff, den Männer während der Pilgerfahrt benutzen, um ihren Unterkörper zu bedecken, wird „Rida“ genannt.
4 Dschihad beschreibt das Ankämpfen gegen die eigene Triebseele (Nafs), die Verkündung des Islams und jegliche Bemühung auf dem Wege Allahs.
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