Wie kann die Existenz der Engel erfasst werden?
Die Wesen im Universum können als die mit den Sinnesorganen erfassbaren und als die nicht erfassbaren in zwei Kategorien unterteilt werden. Während wir manche Wesen mit unseren Augen sehen und mit unseren Händen anfassen können, können wir wiederum andere Wesen, auch wenn wir von ihrer Existenz überzeugt sind, weder sehen noch hören. Denn die Sinnesorgane können nur die Dinge zwischen bestimmten Stufen sehen, hören oder fühlen. Aus diesem Grund können wir die Wesen, die nicht mit diesen erfassbar sind, nicht leugnen. Es ist nicht möglich, den Bestand eines unsichtbaren Existenzreiches zu leugnen, nur weil dieser nicht mit den Sinnesorganen zu erfassen, also nicht zu sehen ist. Wenn wir nur an das glauben, was wir sehen, und nur im Bereich des Verstandes wandeln, so reduzieren wir unsere Welt auf das sichtbare Reich und schließen das Herz aus. Dagegen besteht im Islam der Glaube an das Verborgene (Ghayb). Das Ghayb umfasst das Wissen, das der Mensch nicht mit seinem Verstand oder seinen Sinnesorganen erfassen kann und über das er nur mit dem Kundtun des Propheten, also mittels der Offenbarung, Kenntnis erlangen kann. (Isfahani, al-Mufradat, S. 616-617) Der Glaube an das Ghayb wird in vielen Versen des heiligen Korans aufgegriffen. In diesem Rahmen wird der Glaube an das Ghayb in manchen Versen als die Grundlage zum Muslim Sein akzeptiert: „Die an das Verborgene glauben…“ (al-Baqara, 2/3) In manch anderen Versen hingegen wird betont, dass das Wissen über das Ghayb einzig und allein Allah gehört: „Er verfügt über die Schlüssel des Verborgenen; niemand kennt sie außer Ihm…“ (al-An’am, 6/59) Obgleich wird erklärt, dass Allah, wenn Er es erwünscht, manche Informationen über das Ghayb seinen Gesandten verkündet: „(Oh ihr, die ihr leugnet!) Nimmer wird Allah die Gläubigen in dem Zustand belassen, in dem ihr euch befindet, bis Er das Schlechte vom Guten gesondert hat. Und nimmer wird Allah euch Einblick in das Verborgene gewähren, doch Allah erwählt von Seinen Gesandten, wen Er will (um ihnen das Verborgene kundzutun) …“ (Al-i Imran, 3/179)
In dieser Hinsicht ist Allah, der Schöpfer des Universums, für uns eine Existenz des Verborgenen. Auf die gleiche Weise sind auch die Wesen wie die Engel, die Dschinn und der Teufel Existenzen, die nicht mit den Sinnesorganen erfassbar sind. Ausgehend von den Verkündungen der Propheten glauben wir jedoch aus ganzem Herzen an die Existenz all dieser Wesen.
Äußerungen über die Engel sind nichts weiter als persönliche Meinungen und Vorstellungen, solange sie nicht mit Koranversen und authentischen Ahadithen belegt werden. Allah zeigt im Koran viele Verse vor, die auf die Existenz der Engel hinweisen. In diesen Versen wird besagt, dass die Engel schon vor Adam, dem Vater aller Menschen, existierten; (al-Baqara, 2/30) und dass sie Wesen sind, die Allahs Befehle befolgen und sich Ihm gegenüber keinesfalls auflehnen. (at-Tahrim, 66/6) Zudem wird berichtet, dass sie weder essen noch trinken (Hud, 11/69-70) und Flügel haben. (al-Fatir, 35/1) Auch die Koranverse, die daran erinnern, dass der Glaube an die Engel zu den Glaubensgrundsätzen gehört, lassen keinen Grund zum Zweifel an der Existenz dieser Wesen.
Im Koran wird davon erzählt, dass die Engel mit Ibrahim (Abraham), Lut (Lot), Zakaria (Zacharias) und Maryam (Maria) sprachen und am Jüngsten Tag mit denen, die in die Hölle eintreten werden, sprechen werden. All diese göttlichen Verkündungen zeigen auf, dass die Engel wahre Wesen sind. (Güneş, Meleklere Iman, S. 25 ff.)
Neben den Versen des heiligen Korans geben auch die Ahadithe des Propheten Auskunft über die Beschaffenheit der Engel. Laut der Überlieferung, die als Dschibril Hadith bekannt ist, kam Dschabrail in der Gestalt eines Menschen zum Propheten (saw.), während auch seine Gefährten (Sahaba) anwesend waren, fragte ihn manche Fragen über den Islam, den Glauben (Iman) und über Ihsan1 und ging wieder, nachdem er die Antworten seiner Fragen erhielt. Eine Gruppe der Gefährten wurde Zeuge dieser Begebenheit. Diese Überlieferung, die in der islamischen Literatur ihren Platz fand, ist einer der offenkundigsten Beweise in den Ahadithen für die Existenz der Engel. (Muslim, Iman, 1)
Manche Ahadithe enthalten Informationen, die zur Festigung und Erläuterung des koranischen Wissens über die Engel dienen. Beispielsweise wird im heiligen Koran zwar angegeben, dass das Ende der Welt (Qiyamah) mit dem Blasen des Horns ausbrechen wird, jedoch wird der Name des Engels, der die Qiyamah ankündigen wird, nicht erwähnt. Dass dieser Engel Israfil heißt, lernen wir aus den Ahadithen. (Muslim, Musafirin, 200) Auf die gleiche Art und Weise wird im heiligen Koran vom Leben im Grab erzählt, jedoch nichts über die Engel der Befragung kundgegeben. Wieder lässt sich aus den Ahadithen schließen, dass diese Engel Munkar und Nakir heißen. (Tirmidhi, Dschana’iz, 70)
Manche islamische Gelehrte legten verschiedene geistige Beweise vor, um die Existenz der Engel zu belegen. Der Glaube an die Engel ist ein Glaubensgrundsatz des Islams. Es ist eine Angelegenheit, die sowohl im Christentum und im Judentum als auch in manchen Religionen, die keinen göttlichen Ursprung haben, angenommen wird. Diese Tatsache zeigt auf, dass die Existenz der Engel eine Realität ist, die im Laufe der Geschichte stets Anklang fand.
Die Existenz der Engel ist auch aus geistiger Sicht möglich. Der Mensch kann nicht alles sehen und wissen. Sein Wissen und seine Wahrnehmung sind nicht ausreichend, um das ganze Universum zu erfassen. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, die Existenz von Wesen zu leugnen, die Allahs Ehre, Erhabenheit, Schönheit und Ferne von jeglichem Mangel besser als der Mensch wissen. Diese Wesen sind zweifellos die Engel. Sie sind Wesen aus Licht (Nur), die ihre gesamte Zeit mit der Glaubenspraxis für Allah verbringen, Seine Erhabenheit zu würdigen wissen, Ihn lobpreisen und Seine makellosen Eigenschaften rühmen. (Serdar, „Hristiyanlık ve Islam’da Meleklerin Varlık ve Kısımları“, S. 145)
Dass das Wissen über die Existenz der Engel mittels der Offenbarung erlangt wird, rechtfertigt keinen diesbezüglichen Zweifel. Denn etwas kann nicht geleugnet werden, nur weil es nicht sichtbar ist. In diesem Fall würde die Existenz auf den Bereich begrenzt werden, der mit den Sinnesorganen erfassbar ist, und alles andere wäre nichtig. Dies wiederum bedeutet, dass der Mensch alle Wesen im Universum mit seinem eigenen Niveau begrenzt.
Das Wissen des Menschen über den Kosmos ist begrenzt. Gar ist sein Wissen neben dem, was er nicht weiß, so gut wie „nichts“. Dieses Faktum verhindert die Behauptung, etwas, das nicht mit den Sinnesorganen zu erfassen ist, würde nicht existieren. In dieser Hinsicht ist ersichtlich, dass das Auge und auch die anderen Sinnesorgane des Menschen nicht in der Beschaffenheit erschaffen wurden, alles zu sehen und zu erfassen. So wie der Mensch mit bloßem Auge sehr kleine Wesen nicht sehen kann, kann er auch Dinge wie die Luft, die Seele und den Verstand, von deren Existenz er sicher ist, nicht sehen. Anderseits kann auch das perfekte Funktionieren der Natur nicht nur mit dem, was sichtbar ist, erklärt werden. Folglich wurden die Engel, die mit der Leitung und Steuerung des Universums beauftragt wurden, als wahre Existenzen akzeptiert. (Güneş, Meleklere Iman, S. 23 ff.) So wurde beispielsweise mit der Formulierung „al-Mudabbirat (die die Angelegenheiten Regelnden)“ (an-Nazi’at, 79/5) auf die Engel hingewiesen.
1 Ihsan bedeutet, jegliche Handlung den Regeln entsprechend und auf die beste Weise zu vollführen.
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