Das gute Auskommen in der Familie

Die Familie ist eine Struktur mit bestimmten Regeln und ein System der Beziehungen. Bei der Gründung der Familie sollte nicht nur auf die persönlichen Erwartungen der Eheleute und auf eingesessene, kulturelle Gepflogenheiten geachtet werden. Denn sowohl die Frau als auch der Mann kommen aus verschiedenen Familien. Selbst zwischen Menschen der gleichen Religion kann es unterschiedliche Gewohnheiten und Gepflogenheiten geben. Aus diesem Grund sollte die Familie basierend auf den Prinzipien und Grundsätzen des Islams gegründet werden, die zwischen den Eheleuten übereinstimmen und als eine Gemeinsamkeit akzeptiert werden. Auch hinsichtlich der Kommunikation zwischen dem Ehepaar, der ­Erziehung des Kindes und sogar in Hinsicht auf den Alltag sollten diese Prinzipien berücksichtigt werden. Diese ­Prinzipien wurden vom Gesandten Allahs (saw.) vorgelebt, sodass er allen Gläubigen bezüglich der Angelegenheit, wie eine gute und aufrichtige Kommunikation sowie ein harmonisches Zusammenleben im Familienheim gewährleistet wird, ein Wegweiser ist. Manche der Werte, die der Islam für das harmonische Zusammenleben in der Familie betont und die nicht vernachlässigt werden sollten, sind: Liebe und Zuneigung, Barmherzigkeit, ­Privatsphäre, Gerechtigkeit, Verantwortung und Freundlichkeit. 
Muhabbah (Liebe und Zuneigung) und Rahmat (Barmherzigkeit) sind die zwei Komponenten, die den Mann und die Frau zusammenhalten. Gar wurden diese zwei Komponenten, die zwischen Mann und Frau bestehen, im heiligen Koran als ein Beweis der Existenz Allahs vorgeführt. (ar-Rum, 30/21) Dass die Eheleute auf ihre Hygiene, Selbstpflege, Kleidung – selbst im Haus – und ihre Ausdrucksweise achten und ihrem Gegenüber Liebe und Kenntnisnahme vermitteln, wird die Liebe und Zuneigung, die Allah erschuf, wachsen lassen. Die Frau und der Mann, die diese Liebe stärken und auf die Gesamtheit ihrer Familienangehörigen übertragen, werden zum einen die Seelenruhe und das Wohlergehen erreichen und zum anderen Allahs Lohn (Sawab) erlangen, da sie diese Verantwortungen erfüllen. 
Auch die Barmherzigkeit ist ein grundlegender Wert für alle Angehörigen der Familie. Der heilige Koran betont diese Angelegenheit manchmal durch die Erinnerung an die materiellen Verpflichtungen und manchmal durch das Aufführen von Beispielen bezüglich spiritueller Verantwortungen. Tasadduq1 und Hilfe an bedürftige Familienangehörige zu leisten, sie zu beschenken und zu bewirten, gelten als die materielle beziehungsweise finanzielle Form der Barmherzigkeit. Für sie Bittgebete zu sprechen und sie in bedrückenden Zeiten zu unterstützen, ist hingegen der spirituelle Widerschein der Barmherzigkeit. Allah lädt uns zur Barmherzigkeit ein, indem Er im 215. Vers der Surah al-Baqara verkündet: „Oh Muhammed, Sie fragen dich, was sie ausgeben sollen. Sag: Was immer ihr an Gutem ausgebt, soll den Eltern, den nächsten Verwandten, den Waisen, den Armen und den Reisenden zukommen. Und was immer ihr an Gutem tut, so weiß Allah darüber Bescheid.“ Im 41. Vers der Surah Ibrahim lehrt Er uns hingegen ein Bittgebet und ruft zum Bittgebet auf: „Unser Herr, vergib mir, meinen Eltern und den Gläubigen an dem Tag, da die Abrechnung stattfinden wird.“
Ein weiterer wichtiger Wert, der die Familie aufrechterhält, ist die Privatsphäre. Wenn die Privatsphäre zwischen Eheleuten oder zwischen Eltern und Kindern nicht berücksichtigt wird, können viele Probleme entstehen. Im heiligen Koran werden Frau und Mann als „die Kleider voneinander“ beschrieben. (al-Baqara, 2/187) Denn, wenn die Eheleute die Mängel und Fehler, die guten und schönen Seiten voneinander anderen weitererzählen, werden die Grenzen der familiären Privatsphäre überschritten; dies hingegen kann sowohl zu familiären als auch zu gesellschaftlichen Problemen führen. Insbesondere in der heutigen Zeit kann das Teilen von besonderen und privaten Familienmomenten mit Bekannten und Unbekannten in sozialen Medien erhebliche Probleme verursachen. Wiederum ist es nicht richtig, private Familienprobleme mit Verwandten und Bekannten zu teilen, anstatt sich von Fachleuten beraten zu lassen. 
Des Weiteren gehört die Gerechtigkeit zu den wichtigen Werten in der Familie. ʿAdalah (Gerechtigkeit), was „gewissenhaft und aufrichtig zu sein, rechtschaffen zu handeln, allem Recht zu verschaffen“ bedeutet, ist das Gegenteil von Dhulm (Unrecht/Ungerechtigkeit). Die Gerechtigkeit, die sowohl im rechtlichen als auch im gesellschaftlichen und moralischen Raum unerlässlich ist, ist eine der Tugenden, die die Familie aufrechterhält. In dieser Hinsicht ist es wichtig, dass die Eheleute untereinander und gegenüber ihren Kindern und Verwandten die Gerechtigkeit wahren. 
Allah, der Erhabene, verbietet jegliche Abkehr von der Gerechtigkeit und verkündet im heiligen Koran: „Oh die ihr glaubt! Seid Wahrer der Gerechtigkeit, Zeugen für Allah, auch wenn es gegen euch selbst oder die Eltern und nächsten Verwandten sein sollte. Ob er (der, für den das Zeugnis abgelegt wird) reich oder arm ist (kehrt nicht von der Gerechtigkeit ab), so steht Allah beiden näher. Darum folgt nicht der Neigung, dass ihr nicht gerecht handelt! Wenn ihr (beim Bezeugen die Wahrheit) verdreht oder euch (von der Zeugenaussage) abwendet, gewiss, so ist Allah dessen, was ihr tut, Kundig.“ (an-Nisa, 4/135)
Damit die Gerechtigkeit in der Familie gewährleistet wird, müssen wir unseren Ehepartnern das wünschen, was wir uns selbst auch wünschen, und einfühlsam handeln, indem wir uns in die Lage unseres Gegenübers versetzen. Der Prophet (saw.), der die Wichtigkeit der Gerechtigkeit zwischen Familienangehörigen akzentuierte, gab uns wie folgt den Lohn derer bekannt, die die Gerechtigkeit in der Familie wahren: „Diejenigen, die gegenüber den Menschen, die sie verwalten, ihren Familien und den Personen, für die sie verantwortlich sind, gerecht handeln, werden bei Allah, (also) bei ar-Rahman, dem Besitzer grenzenloser Barmherzigkeit, auf Kanzeln aus Licht empfangen.“ (Nasa’i, Adab al-Qudat, 1)
Die Verantwortungslosigkeit, die zur mentalen und moralischen Verkommenheit des Menschen führt, ist eine der Angelegenheiten, die zur Ungerechtigkeit in der Familie führt. Hingegen ist der Mensch hinsichtlich seiner Beschaffenheit und seiner Schöpfung für seine Handlungen verantwortlich. So erfordert auch das Bewusstsein der Dienerschaft für Allah, dass der Mensch der Verantwortung jeder Pflicht, die ihm aufgelegt wurde, kundig ist. Folglich müssen Personen, die eine Familie gründen, die Verantwortungen, die mit dieser Entscheidung einherkommen, auf sich nehmen. Allah ruft uns diese Verantwortung mit folgenden Worten in Erinnerung: „Oh die ihr glaubt! Bewahrt euch selbst und eure Angehörigen vor einem Feuer, dessen Brennstoff Menschen und Steine sind…“ (at-Tahrim, 66/6)
Die Schönheiten, das Leid und die Erschwernisse des Lebens erleben wir mit unserer Familie und wünschen uns vor allem ihr Glück. Ihre Bedürfnisse zu decken und sie zu erfreuen, liegt in unserer Verantwortung. Der Gesandte Allahs (saw.) besagte hierzu: „Und das Geld, das du auf dem Wege Allahs aufwendest, für den Freikauf eines Leibeigenen ausgibst, als Spende (Sadaqah) dem Armen vergibst und für die Bedürfnisse deiner Familienangehörigen ausgibst! Unter all diesen ist das, was dir am meisten Lohn (Sawab) einbringen wird, das Geld, das du für deine Familie ausgibst.“ (Muslim, Zakah, 39) 
In Fällen, in denen das Verantwortungsbewusstsein nicht ausreichend entwickelt ist, werden Familienangehörige vernachlässigt, was wiederum eine große Sünde mit sich bringt. In einem Hadith gibt der Gesandte Allahs Folgendes bekannt: „Dass sie diejenigen, für deren Unterhalt sie zuständig ist, vernachlässigt, reicht der Person als Sünde aus.“ (Abu Dawud, Zakah, 45)
Sich verändernde Arbeitszeiten und divergierende Lebensweisen haben die Verantwortung und Arbeitsteilung in der Familie beeinflusst. Auch die Stadt und das Land, in denen die Personen leben, sowie ihre Unterhaltsquellen sind Faktoren, die die Arbeitsteilung in der Familie mitbeeinflussen. Folglich veränderten sich die Rollen des Mannes und der Frau in der Familie. So wie die Verantwortungen bezüglich des Haushalts und der Kinder nicht nur der Frau zugeschrieben werden, gehören auch die Pflichten, Geld zu verdienen oder ein gesellschaftliches Leben außerhalb des Hauses zu führen, nicht nur zum Mann. In diesem Zusammenhang ändert sich auch die Vorstellung und das Verständnis hinsichtlich der Verantwortung in der Ehe und der Familie. Um nicht unverantwortlich zu werden und um die Mahnung des Propheten (saw.) zu berücksichtigen, müssen diese Veränderungen wahrgenommen werden. Unter Beachtung der Gerechtigkeit und der veränderten Lebensbedingungen im Alltag sollten wir die Arbeitsverteilung in unseren Familien von neu bewerten. Anstatt uns unsere Eltern, Verwandten oder die Familien in unserem Umfeld als Maßstab zu nehmen, sollten wir unserer Arbeitsverteilung das Gleichgewicht, die Bedürfnisse und Bedingungen unserer eigenen Familien zugrunde legen. Denn Gerechtigkeit bedeutet nicht, identisch und gleich zu sein. Wenn die Gerechtigkeit als Maß bestimmt wird, so wird es weder Unverantwortlichkeit noch Ungerechtigkeit geben. 
Die zwei wichtigen Komponenten für das gute Auskommen sind Treue und Freundlichkeit. Wenn Eheleute nicht loyal zueinander sind, sich gegenseitig täuschen, belügen und betrügen, bedeutet dies sowohl, dass sie die Rechte des Einzelnen (Huquq al-ʿIbad) verletzen, als auch, dass sie der Familie schaden. Auch ist es ein Erfordernis, dass die Ehepartner in ihren Gesprächen und Verhaltensweisen auf Freundlichkeit und Höflichkeit achten. Es sollte bekannt sein, dass im Leben des Propheten Muhammed (saw.) kein einziges Beispiel der kränkenden Handlung oder der Gewaltanwendung aufzufinden ist. Dementsprechend sollten auch wir uns von derartigen Handlungen fernhalten. 
Neben diesen Werten, die die Familie aufrechterhalten, ist auch die starke und gesunde Kommunikation für das „Familie Sein“ wichtig. Die Grundlage der Kommunikation ist die Übermittlung unserer Ideen, Gefühle und Gedanken an das Gegenüber. Dies geschieht nicht immer wörtlich. Manchmal bringt ein Blick oder eine Mimik vieles zum Ausdruck. Der Grund für den Befehl des Islams, selbst auf unsere Mimik und unsere Handlungen zu achten, ist, dass diese zu manchen Kommunikationsproblemen und zum Verletzen der Rechte des Einzelnen führen können. So wird beispielsweise in der Surah al-Humaza auf die negativen Folgen aufmerksam gemacht, die „die Gestik und Mimik mit Auge und Braue“ verursachen können: „Wehe jedem, der die Menschen hinter ihrem Rücken schlecht macht und mit seinen Augen und Brauen hinter ihnen höhnt, der Besitz zusammenträgt und ihn zählt und immer wieder zählt!“ (al-Humaza, 104/1-2)
In der Kommunikation ist die Auswirkung der Miene und der Mimik meistens größer als die von Worten. Selbst wenn wir einen schönen und positiven Satz aussagen, können Verhalten wie dem Gegenüber nicht in das Gesicht zu blicken, gleichgültig und desinteressiert aufzutreten oder das Gesicht zu verziehen die Wirkung der schönen Worte vernichten. Aus diesem Grund muss auch auf die Körpersprache Acht gegeben werden. Während der Kommunikation sich dem Partner zuzuwenden, ihm/ihr beim Zuhören und Reden in die Augen zu blicken, andere Sachen wie Zeitung, Fernsehen und Computer liegenzulassen sowie die bestätigende Mimik den Aussagen des Gegenübers anzupassen, sind ein paar der Ansätze, die in diesem Rahmen ausgeübt werden können. Es gibt drei Grundlagen, die bei der Kommunikation zu beachten sind: 


1 Die Hilfen und Spenden an Bedürftige mit der Hoffnung auf das Wohlgefallen Allahs, werden Tasadduq genannt. 

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