Der schöne Ahlaq in der Gesellschaft

Der Mensch ist ein Teil der Gesellschaft, in der er lebt. Aus diesem Grund kann er seine Handlungen in der Gesellschaft nicht nach seinem Belieben gestalten. Als eine Erfordernis des Zusammenlebens muss er bestimmte Werte und Moralprinzipien beachten, die die gesellschaftliche Anpassung und Kooperation herbeiführen. 
Sowohl der heilige Koran als auch die Sunnah, die beide die Beispiele des schönen Ahlaqs vorführen, betonen die hauptsächlichen Angelegenheiten, die für die Bildung einer friedvollen und moralischen Gesellschaft vonnöten sind. Laut dem Islam sind alle Muslime Geschwister. (al-Hudschurat, 49/10) Sie müssen in ihren gegenseitigen Beziehungen stets dieses Prinzip berücksichtigen und die Innigkeit und Vertraulichkeit als Grundlage nehmen. Der Prophet besagte „Die Muslime gleichen in der Liebe, Barmherzigkeit und Zuneigung füreinander einem Körper, dessen andere Organe mit Schlaflosigkeit und hohem Fieber dieses Leid teilen, wenn einer der Organe erkrankt.“ (Bukhari, Adab, 27) Er wies darauf hin, dass für eine friedvolle Gesellschaft die Gefühle des Zusammenhalts, der Solidarität und der Geschwisterlichkeit verinnerlicht werden müssen. Demnach ist es sowohl eine Erfordernis des friedvollen und geschwisterlichen Zusammenlebens in der Gesellschaft als auch eine Erfordernis des guten Ahlaqs, seinen Geschwistern dasselbe zu wünschen wie sich selbst und anderen nicht anzutun, was man auch selbst nicht erfahren möchte. Auch die Pflicht „das Gute anzuraten und das Übel zu verhindern“, welche eine der vom Islam bestimmten Hauptverantwortungen ist, ist für die Gewährleistung des gesellschaftlichen Friedens von großer Bedeutung. 
Zwischen den Menschen mit Gerechtigkeit zu handeln, Herausforderungen und Schwierigkeiten standzuhalten, für den Nutzen der Gesellschaft zu arbeiten und der Gesellschaft, wie im Hadith „Ein Muslim ist eine Person, vor deren Hand und Zunge (vor dem Übel dieser beiden) die anderen Menschen in Sicherheit sind.“ (Nasa’i, Iman, 8) betont wird, Vertrauen zu schenken, sind die grundlegenden Eigenschaften einer Gesellschaft, die die islamische Moral verinnerlicht hat. 
Der Gesandte Allahs sprach: „Solange ihr nicht glaubt, werdet ihr nicht in das Paradies eintreten können. Und solange ihr einander nicht lieb habt, werdet ihr nicht geglaubt haben.“ (Muslim, Iman, 93) und verkündete dann, dass der Bund der Liebe und Zuneigung zwischen den Muslimen lediglich durch das gegenseitige Grüßen gebildet werden kann: „Wenn zwei Muslime, die zusammentreffen, sich die Hände schütteln (sich gegenseitig begrüßen), so werden ihre Fehler vergeben, noch bevor sie von dort fortgehen.“ (Abu Dawud, Adab, 153) Die Liebe, Geschwisterlichkeit und Freundschaft, die Güte und Aufmerksamkeit, die Versöhnung von Zerstrittenen, die Begrüßung und das Händeschütteln werden dafür sorgen, dass die Menschen miteinander in Friede und Wohlbefinden leben. 
Der Gesellschaft, die durch die islamische Moral geformt wurde, liegt die Solidarität und die Teilbereitschaft zugrunde. Der Vers „Oh die ihr glaubt! …Helft einander zur Güte und der Vermeidung (von den Verboten Allahs), aber helft einander nicht zur Sünde und feindseligem Vorgehen…“ (al-Ma’ida, 5/2) weist darauf hin, dass diese Solidarität bei rechten und schönen Angelegenheiten zum Einsatz kommen sollte. Neben Glaubenspraxen wie der Zakah1 und der Sadaqa2, die die gesellschaftliche Einheit und Solidarität bewerkstelligen, wurden in den Koranversen und Ahadithen vielerlei Anweisungen zur Stärkung des Zusammenhalts zwischen den Menschen aufgeführt. Während diese Richtlinien erwirken, dass die Menschen sich moralische Tugenden wie Barmherzigkeit, Teilbereitschaft und Rücksichtnahme aneignen, stellen sie auch sicher, dass die Menschen von negativen Eigenschaften wie Geiz, Gleichgültigkeit und Egoismus abkommen. Auf egoistische Art und Weise zu leben, ohne notdürftige Menschen in der Umgebung zu berücksichtigen, ist keine Verhaltensweise, die mit der islamischen Moral konform sein könnte. Der Hadith des Propheten (saw.) „Wer satt zu Bett geht, während sein Nachbar hungert, ist kein (wahrer) Mu’min (Gläubiger).“ (Ibn Abi Schaybah, Musannaf, Iman wa Ru’ya, 6) bringt diese moralische Haltung zum Ausdruck. Eine Person, die sich das Moralverständnis des Islams angeeignet hat, kennt die Schönheit und den Segen des Teilens und ist sich zugleich der Tatsache bewusst, dass die Bildung einer friedvollen Gesellschaft zugleich eine Pflicht ist. Den Halb- und Vollwaisen, Armen und Bedürftigen der Gesellschaft die Hilfshand zu reichen ist sowohl eine moralische als auch eine gesellschaftliche Pflicht. 
So wie Individuen mit einem guten Charakter/Ahlaq eine friedvolle Gesellschaft bilden werden, werden Individuen mit negativen Moraleigenschaften eine Gesellschaft bilden, in der das Leben erschwert wird. Aufgrund mancher Eigenprofite mit der Gesellschaft in einen Konflikt zu raten und im Widerspruch zu gesellschaftlichen Werte zu handeln ist eine Handlungsweise, die den gesellschaftlichen Frieden stört. Wenn jeder, egal ob er in einer muslimischen oder einer nicht-muslimischen Gesellschaft lebt, gemäß den Moralprinzipien handelt, so werden sie als Menschen mit gutem Charakter angesehen. Demnach sollte ein Muslim, der beispielsweise in einem nicht-muslimischen Land lebt, nicht in Gedanken wie „Diese Gesellschaft ist sowieso nicht muslimisch, also kann ich diese Menschen täuschen; ich kann Zinsen von diesen Menschen erheben, um dieser nicht-muslimischen Gesellschaft zu schaden.“ schweben. Diese Gedanken, die in moralischer Hinsicht nicht richtig sind, stellen zu jeder Zeit und an jedem Ort falsche Ansätze dar. Egal wo er leben mag, sollte ein Muslim niemals von guten Moralwerten absehen, nur um weltliche Vorzüge wie Vermögen, Besitz, Wohlstand und Ruhm zu erlangen. In einer Gesellschaft, in der negative Geschehnisse wie rechtswidrige Aneignung, Diebstahl, Täuschung und Betrug verbreitet sind, wird das Vertrauen, das für eine friedliche Gesellschaft unverzichtbar ist, zerfallen. In einer Gesellschaft, in der sich die Menschen gegenseitig nicht vertrauen, wird es auch nicht möglich sein, dass diese Individuen sich in Sicherheit fühlen. 
Eine Person, die bei einem Unfall Fahrerflucht begeht, einem Verletzten, dem sie begegnet, nicht hilft und an ihm vorbeizieht oder beim Handel ihr Gegenüber – egal welcher Religion oder Nationalität dieser angehören mag – betrügt, erfüllt nicht einmal die grundlegendsten humanitären Pflichten. So zählt es auch als unmoralisch, böse Empfindungen gegenüber anderen Menschen zu hegen, ihre privaten und intimen Angelegenheiten zu erforschen, Missgunst und Neid zu empfinden und üble Nachrede (Ghiybah) zu führen. Diese verwerflichen Taten treiben einen Keil zwischen die Menschen und zerreißen den Bund zwischen ihnen. Gegenüber diesen negativen Eigenschaften sollte sich der Muslim Allahs Mahnung im Vers „Oh die ihr glaubt! Meidet viel von den Mutmaßungen; gewiss manche Mutmaßung ist Sünde. Und sucht nicht (andere) auszukundschaften und führt nicht üble Nachrede übereinander. Möchte denn einer von euch gern das Fleisch seines Bruders essen, wenn er tot sei? Es wäre euch doch zuwider. Fürchtet Allah. Gewiss, Allah ist Reue-Annehmend und Barmherzig.“ (al-Hudschurat, 49/12) zu Herzen nehmen und sich darum bemühen, sich einen guten Ahlaq anzueignen. 
Der Muslim kann nicht nach dem Motto „Ich lebe, wie ich will, ich mache, was ich will“ leben. Denn er weiß, dass der Mensch von Allah nicht außer Acht gelassen wird. Folglich muss er sich stets darum bemühen, nach dem Wohlgefallen Allahs zu leben. 


1 Die Zakah (Sozialsteuer) ist die für den Willen Allahs geleistete Abgabe eines Anteils eines bestimmten Besitzes an bestimmte Personen.

2 Sadaqah beschreibt alle Gaben und Wohltaten an Bedürftige für das Wohlgefallen Allahs und ohne die Erwartung einer Gegenleistung.

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