Was bedeutet der Glaube an die offenbarten Bücher?

Warum müssen wir an die offenbarten Bücher glauben?

Die Propheten laden den Menschen zum Guten und zur Reinheit ein, die er in seiner menschlichen Beschaffenheit innehat. Damit sie diese Aufgabe erfüllen können, vermittelte Allah den Propheten auf bestimmten Wegen manches Wissen. Dieses Wissen bildet die offenbarten Bücher. Um ein Muslim zu sein, muss eine Person daran glauben, dass Allah den Menschen mittels der Propheten Bücher sandte. Dieser Glaube umfasst sowohl den Glauben an die Bücher, die an die Propheten vor dem Propheten Muhammed (saw.)1 gesandt wurden, als auch den Glauben an den Koran, der ihm gesandt wurde. (al-Baqara, 2/4, 285) So wie es gefordert ist, an alle offenbarten Bücher im Allgemeinen zu glauben, muss auch an jedes im heiligen Koran erwähnte Buch im Einzelnen geglaubt werden. Denn alle offenbarten Bücher wurden mit dem gleichen Ziel gesandt. So sind auch die Botschaften, die sie geben, im Wesentlichen gleich. Aus diesem Grund bestätigen die späteren Bücher stets die früheren. Jedoch bedeutet der Glaube an die Bücher vor dem heiligen Koran, an deren unverfälschte Form, also an die geschützte Form, wie sie von Allah gesandt wurden, zu glauben. 
Der Glaube an die Bücher hat einen besonderen Platz im Leben des Menschen. Denn die Mittel und Möglichkeiten des Menschen sind begrenzt. Daneben gibt es hingegen manche Angelegenheiten, denen gegenüber sich der Mensch nicht gleichgültig stellen kann, die aber über seine menschlichen Grenzen hinausragen. Beispielsweise empfindet der Mensch Neugier bezüglich des Anfangs und dem Ende des Lebens, dem Schöpfer dieser Welt, in der wir leben, und bezüglich der Erwartungen des Schöpfers. Die Quelle, die das Bedürfnis nach Wissen in diesen Angelegenheiten gänzlich und rechtmäßig decken kann, sind die göttlichen Bücher. Denken wir an eine Person, die sich auf den Weg in eine Stadt macht, die sie nicht kennt, und wie sehr doch ein wegweisendes Gerät ihre Reise erleichtern wird. Auf die gleiche Art und Weise dienen die offenbarten Bücher dem Menschen auf dem Weg in ein Reich, welches seine Sinnesorgane überschreitet, als Wegweiser. 
Mit seinem Verstand und seinem Wissen bringt der Mensch Erfindungen und Erforschungen dar und versucht mit der hervorgebrachten Technologie das grenzenlose Universum zu kontrollieren. Jedoch steht er einer noch größeren Herausforderung gegenüber: Wird er die schlechten Gefühle in seiner inneren Welt unter Kontrolle bringen können? Als eine Existenz, die sowohl Gutes als auch Schlechtes tun kann, sollte der Mensch seine Fähigkeit Gutes zu tun verbessern. Hierfür muss er gegen die dem Üblen geneigten Seite (Nafs) seiner Seele ankämpfen. Die offenbarten Bücher übermitteln nicht nur Wissen, sondern gewährleisten dem Menschen auch die Moral und Motivation, die für dieses Ankämpfen von Nöten sind. 
Die Führung der offenbarten Bücher ist nicht auf das individuelle Leben begrenzt. Die Menschen stehen auch im gesellschaftlichen Leben verschiedenen Problemen gegenüber. Auch wenn sie im Besitz von Verstand sind, können Menschen zur selben Angelegenheit verschiedene Meinungen besitzen, die im Widerspruch zueinander sind. Zwischen den Menschen können zudem aus verschiedenen Gründen Interessenkonflikte entstehen. Jedoch besteht zwischen denen, die aufrichtig in ihrem Glauben an das Buch sind, eine Einheit in der Mentalität bezüglich mancher grundlegender Themen, die die Existenz betreffen. Dieser aufrichtige Glaube sorgt für eine Perspektive, welche individuelle Schwächen und Belange überschreitet. Folglich kann die Lösung unterschiedlicher Probleme, die im Sozialleben auftauchen, leichter erfolgen. 
Im Laufe der Geschichte wurden der Menschheit verschiedene Bücher gesandt. Dies hat einige Gründe: Dass die Informationen in den gegenwärtigen Büchern in Vergessenheit geraten und außer Acht gelassen werden, dass Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Bücher auftreten, dass aus ihnen völlig andere Bedeutungen schlussfolgert werden und dass die Bücher abgewandelt werden (Tahrif2)/ihre Originalität verfällt, sind manche dieser Gründe. Die göttlichen/offenbarten Bücher sind der Tawrat (die Thora), der Zabur (der Psalter), der Indschil (die Bibel) und der heilige Koran. Außerdem wurden auch manchen Propheten Suhuf3 gegeben. Mit seiner Eigenschaft, an die ganze Menschheit zu appellieren, wurde der heilige Koran als das letzte Buch gesandt. Im Gegensatz zu den anderen Büchern bewahrte der heilige Koran seine Originalität vom ersten Tag seiner Offenbarung bis zum heutigen Tag und wird sie bis zum Jüngsten Tag bewahren. (al-Hidschr, 15/9)


1 (saw.) ist die Abkürzung für „Sallallahu alayhi wa sallam“ mit der Bedeutung „Friede und Gruß sei mit ihm“.

2 Tahrif beschreibt die Verfälschung/Abänderung der Texte oder Bedeutungen der offenbarten Bücher vor dem heiligen Koran. 
3 Als Scharia wird die Gesamtheit aller religiösen, moralischen und rechtlichen Bestimmungen bezeichnet.

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Die Suhuf

In den Zeiten, in denen die Möglichkeit des Lesens und Schreibens begrenzt war, wurden die Offenbarungen (Wahiyy1), die den Propheten gesandt wurden, auf verschiedene Materialien wie Steintafeln und -platten geschrieben. Das offenbarte Wissen, welches auf diesen Materialien festgehalten wurde, wird Suhuf (Seiten), was die Pluralform von Sahifa ist, genannt.
Im heiligen Koran werden Suhuf erwähnt, die den vorherigen Propheten gegeben wurden. (Ta-Ha, 20/133; an-Nadschm, 53/36-37; al-A’la, 87/18-19) Bezüglich dessen, welchem Propheten wie viele Sahifa gegeben wurde, gibt es keine genauen Angaben. Jedoch wird in einem Hadith Folgendes besagt: „Allah sandte hundert Sahifa und vier Bücher hinab. Hiervon wurden fünfzig Sahifa an Schit, dreißig Sahifa an Idris, zehn Sahifa an Ibrahim und zehn Sahifa vor dem Tawrat an Musa hinabgesandt. Außerdem sandte Er auch den Tawrat, den Indschil, den Zabur und den Koran hinab.“ (Ibn Hibban, Sahih, II, 77)
Keine der Suhuf, die den vorherigen Propheten gegeben wurden, erreichte den heutigen Tag. Darauf, welche Informationen diese Suhuf beinhalteten, nimmt lediglich der heilige Koran teilweise Bezug. Beispielsweise wird in der Surah al-A’la hervorgehoben, dass derjenige, der dem Namen seines Herrn gedenkt und Ihm dient, die Erlösung erlangen wird; und dass die Menschen jedoch, obwohl die Glückseligkeit des Jenseits vorzüglicher und fortwährender ist, das weltliche Leben bevorzugen. Im Weiteren der Surah wird Folgendes besagt: „Dies ist wahrlich in den früheren Seiten (Suhuf) (enthalten), den Seiten Ibrahims und Musas.“ (al-A’la, 87/14-19) Aus dieser Angabe lässt sich schließen, dass die oben aufgeführten Informationen in den Suhuf der vorherigen Propheten enthalten waren. (Tabari, Dschami al-Bayan, XXIV, 325)
Die genannten Suhuf und der heilige Koran sind Wahiyy-Texte, die der gleichen Quelle entstammen. Denn als die Leugner ein Wunder vom Propheten Muhammed fordern, wird ihnen die Frage „Ist nicht zu ihnen der klare Beweis (Koran) dessen gekommen, was auf den früheren Seiten (Suhuf) steht?“ (Ta-Ha, 20/133) gestellt. Diese Frage ist der Ausdruck der Übereinstimmung des heiligen Korans und der vorherigen Suhuf. Außerdem wird verkündet: „Und er (der Koran) ist wahrlich in den Schriften der Früheren (erwähnt).“ (asch-Schu’ara, 26/196) Wie aus diesem Vers zu verstehen ist, wurde der heilige Koran in den Suhuf der vorherigen Propheten erwähnt und gelobt. (Ibn Kathir, Tafsir al-Qur’an al-Adhim, X, 371)
Aus den Erläuterungen des heiligen Korans bezüglich der Suhuf, die den vorherigen Propheten gegeben wurden, lässt sich Folgendes schließen: Diese Suhuf enthielten allem voran Informationen bezüglich grundsätzlicher Glaubensprinzipien wie der Einheit Allahs, der Existenz des Jenseits und bezüglich der Themenbereiche wie Ibadah (Glaubenspraxen) und Muamalat (Regeln, die das Sozialleben gestalten und ordnen). Denn der heilige Koran beinhaltet Allahs permanente Prinzipien und Regeln bezüglich der Religion. Aus diesem Grund sind die Informationen, die sich in den vorherigen Suhuf wiederfinden, auch im heiligen Koran enthalten. 


1 Allahs Kundgebung Seiner Gebote und Verbote an die Propheten wird Wahiyy genannt. 

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